„Im Jahr 1470 hat Simon Haider mich gemacht“, das verrät die lateinische Inschrift, die sich über die beiden Holztüren des Konstanzer Münsters zieht. Dabei ist das eigentlich nur die halbe Wahrheit, aber dazu kommen wir gleich noch.

Portalsituation

Das Konstanzer Münster ist die ehemalige Bischofskirche des Bistums Konstanz, das 1821 vom Erzbistum Freiburg abgelöst wurde. Zwischen den beiden Westtürmen ist seit dem 16. Jahrhundert eine Vorhalle eingespannt, die der Portalanlage vorgelagert ist. Im steinernen Portal, das teilweise noch blaue Farbreste einer Fassung aufweist, sind die Türen aus Nussbaumholz eingelassen. 

Die Türen und ihre Bildfelder

Die beiden Türen sind jeweils über 2m hoch und zeigen jeweils 20 Reliefs mit Szenen aus dem Neuen Testament, Schwerpunkt sind Szenen aus dem Leben Christi und Marias. Jedes hochrechteckige Feld ist Bildgrund für plastische Figuren. Die Bedeutung Mariens als Hauptpatronin des Münsters wird deutlich, wenn man sich die Themen der Reliefs anschaut. 

Die Leserichtig ist auf beiden Türen von links nach rechts und von unten nach oben. Am oberen Rand der Türen befindet sich die lateinische Inschrift, die über den Künstler und die Entstehungszeit Auskunft gibt. Darüber erheben sich zwei männliche Figuren, die die beiden Nebenpatrone der Bischofskirche zeigen: Konrad und Pelagius.

Künstler/Werkstatt

Oben habe ich gesagt, dass die Inschrift nur die halbe Wahrheit sagt. In dieser Inschrift wird nur der Künstler Simon Haider erwähnt, aber heute weiß man, dass Simon Haider diese Türen nicht allein geschaffen hat. Haider ist der Werkstattleiter und eher Unternehmer als Künstler. Er beschäftigt eine große Zahl an Bildschnitzer, die in seinem Auftrag und seiner Werkstatt nach seinen Plänen unter anderem die Türen geschnitzt haben. Seine Werkstatt ist auch für das Chorgestühl verantwortlich, das heute noch im Münster zu finden ist. Hier arbeitete die Werkstatt nach Plänen des niederländischen Meisters Nikolaus Gerhaerdt. 

Also eigentlich müsste in der Inschrift stehen, dass die Werkstatt von Haider die Türen geschaffen hat, aber die ist im Namen „Simon Haider“ mitgemeint. 

Farbreste im Portal

Besonderheiten

Da die Türen jetzt schon über 500 Jahre alt sind, bleibt es nicht aus, dass es doch einige Beschädigungen gibt. Vor allem bei filigranen Bereichen wie z. B. den Hinterläufen eines Pferdes gibt es Fehlstellen. Teilweise sind die Gesichter abgegriffen, weil sie auf der Höhe sind, wo die Leute immer angegriffen haben, um z. B. Die Türen zu öffnen. 

An den Seiten befinden sich durchgängige Ranken, die mal ergänzt wurden, als die Portalbreite verändert wurden und die Türen nicht mehr gepasst haben. 

In der Mitte der Türen sind jeweils Türgriffe in Form eines Löwenkopfs zu sehen. Diese sind aus Bronze geschaffen. Auf der Innenseite der einen Tür ist noch ein weiterer Löwenkopf angebracht. 

Beachtenswert ist, dass die Türen aus Holz geschaffen wurden und trotzdem fast unbeschadet erhalten sind. Obwohl die Westtürme auch ab und an mal gebrannt haben, gibt es die Türen immer noch. 

Die lateinische Inschrift, in der der Künstler erwähnt wird, zeigt schon an, dass wir schon in der Renaissance gelandet sind, auch wenn die Figuren noch sehr gotisch sind. In der Gotik waren Künstler keine eigene Berufsgruppe, sondern Handwerker. Und jemand, der einen Tisch oder Stuhl herstellt, der signiert seine Produkte ja auch nicht. Dieses Bewusstsein, dass Künstler Künstler sind, kommt erst in der Renaissance auf. 

Die Herren über den Türen

Bei der Änderung des Portals um 1500 wurden auch die oberen Laibungen geändert und so entstand eine Fläche, die mit den Darstellungen der beiden Nebenpatrone versehen wurden. Wenn man vor den beiden Türen steht, sitzt über der linken Tür der heilige Konrad und über der rechten der heilige Pelagius. Der heilige Konrad ist der Stadtpatron von Konstanz, Patron des Münsters und war Patron des ehemaligen Bistums Konstanz. Auch im Erzbistum Freiburg ist er einer der Patrone. Seine Erkennungszeichen sind ein Kelch und eine Spinne. Er wird als Bischof dargestellt. Der andere Nebenpatron, Pelagius, ist mit dem Palmenzweig als Märtyrer gekennzeichnet. Er soll so im 4. Jahrhundert gelebt haben, seine Reliquien hat man im 8. Jahrhundert nach Konstanz gebracht und sie in der Krypta beigesetzt. 

Die beiden Nebenpatrone sind vielfach im Münster zu sehen. Das besondere ist, dass sie immer die Art von zeitgenössischer Kleidung tragen, die grade chic war als die Figuren entstanden. Also tragen sie immer die Art von Kleidung, die gerade in war als die Figuren geschaffen wurden, nicht zu der Zeit, in der sie gelebt haben. 

Vorbilder für die Münstertüren sind Türen wie die Bernwardstür in Hildesheim. Für die einzelnen Reliefs findet man die Vorbilder in Kupferstichen, die zahlreich verbreitet wurden.