Letzte Woche war ich in der Kunsthalle München und habe mir die Ausstellung „Fäden der Moderne“ angeguckt. Gerade noch rechtzeitig, denn sie ist nur noch bis 8. März 2020 zu sehen. Es lohnt sich auf jeden Fall, also husch husch, ab nach München. Zur Ausstellung sage ich weiter unten noch was. Erstmal möchte ich dir einen Überblick über das Thema Bildteppich und Gobelins geben.

Bildteppich? Gobelin? Was ist was?

Vielleicht hast du schon mal das Wort „Gobelin“ gehört und weißt aber nicht so genau, wo eigentlich der Unterschied zu einem Teppich ist. Ein Gobelin ist ein Wandteppich oder Bildteppich, der aus der Manufacture des Gobelins in Paris stammt. Da diese Firma eine der größten und bekanntesten Manufakturen war, wurden häufig auch andere Bildteppiche „Gobelins“ genannt, auch wenn sie nicht aus dieser Pariser Werkstatt waren. Die Firma ist angeblich nach einem Herrn Gobelin benannt und wurde 1662 als königliche Manufaktur gegründet. Dort wurden anfangs vor allem Teppiche für den französischen Hof hergestellt.

Ein Bildteppich ist ein Wandbehang in großem Format, der mit bildlichen Darstellungen verziert ist. Ein Teppich, der nur ein einfaches Muster zeigt, wird meist nicht Bildteppich genannt. Die Darstellungen können gewirkt, appliziert oder aufgestickt sein. 

Die Bildwirkerei ist eine besondere Art der Bilddarstellung und wird seit dem 17. Jahrhundert hergestellt. Das Weben eines Teppichs ist seit dem 19. Jahrhundert die meist genutzte Technik. 

Joàn Miró: Komposition Nr.1 Frau am Spiegel

Weben oder wirken – wo ist eigentlich der Unterschied?

Im Kindergarten oder in der Grundschule haben wir alle mal gelernt wie man webt. Beim Weben werden in einen Rahmen Kettfäden eingespannt, das sind die Fäden, die von oben nach unten verlaufen. Mit den Schussfäden webt man dann. 

Auf diese Art und Weise kann man Webware bzw. Stoffe herstellen. Entweder wird von Hand gewebt oder an Webstühlen. 

Vermutlich ist das Weben eine Weiterentwicklung des Flechtens, bei dem man biegsame Halme oder Fäden mit der Hand verbindet und ineinander verschlingt. In der Regel verwenden Weber Leinen, Baumwolle, Wolle, Seide oder Bast als Material. Eine besondere Form des Webens ist die Wirkerei. 

Im Grunde hast du hier dieselben Materialien, nur die Arbeit damit ist etwas anders. Hier sind ebenfalls die Kettfäden im Rahmen eingespannt. Allerdings führst du jetzt die Schussfäden nicht von einer Webkante zu anderen, sondern immer nur soweit wie es die Farbe erfordert. So kannst du verschiedene Muster oder Bilder weben. So entstehen natürlich ein paar Schlitze. Dies kann man aber verhindern, indem man die einzelnen Farbenfäden, die aneinandergrenzen grenzen, miteinander verschlingt. Natürlich kann man die verschiedenen Schussfäden um denselben Kettfaden herumführen. 

Wofür wurden die Teppiche verwendet?

Bereits im Ägypten des 2. Jahrtausends vor Christus wurden Teppiche verwenden, einige Rest davon haben sich noch erhalten. In frühchristlichen und byzantinischen Kirchen waren die Teppiche Teil der Ausstattung, was durch Berichte und Darstellungen nachzuweisen ist. Auch heute noch spielen Textilien in der Kirchenausstattung eine Rolle. Anfangs waren die Teppiche nur für den kirchlichen Gebrauch bestimmt, durch die sich verändernde Wohnkultur werden die Teppiche auch für weltliche Auftraggeber spannend. Durch höhere Ansprüche ans Eigenheim wollten die Leute eben auch ihre Häuser aufhübschen. Meistens dienen die Wandteppiche in Wohnhäusern auch dazu, dass es wärmer wird. Stell dir einen englischen Landsitz vor, den man nur mit Kaminfeuer heizen konnte, da warste schon froh, wenn du die Wände abdecken konntest. Und man wollte ja auch, dass die Bildteppiche was hermachen. Und so kommen eben auch weltliche Motive in den Wandbehängen auf. 

Die Hauptwirkungsstätten waren zunächst Paris und Arras, Ende des 15. Jahrhunderts übernahm Brüssel diese Rolle. Mit der Gründung der königlichen Manufacture des Gobelins in Paris 1662 kehrt dann Paris zu seinem alten Glanz zurück. 

Sonia Delaunay: Tafel 1954

Die Ausstellung „Fäden der Moderne“

Die Ausstellung in der Kunsthalle München befasst sich mit Tapisserien (also Bildteppichen) aus der Pariser Manufacture des Gobelins, allerdings nicht aus dem 17. Jahrhundert. Es werden Gobelins gezeigt, die nach Entwürfen von bekannten Künstlern wie Picasso, Le Corbusier oder Joan Miró geschaffen wurden. In den Räumen zeigen die vielen großformatigen Wandbehänge Arbeiten vom Ende des Ersten Weltkriegs bis in die Gegenwart. 

Die alte Kunst der Bildwirkerei interpretierten die Künstler dabei neu. In der Manufaktur in Paris wurden nicht nur Wandbehänge produziert, sondern auch Möbelbezüge oder Teppiche für Böden. Noch heute werden in den Werkstätten textile Meisterwerke geschaffen, dabei fließen mehrere tausend Arbeitsstunden in die Bildteppiche. 

Patrick Tosani: Freitag

In den großen Räumen der Kunsthalle kommen die großformatigen Arbeiten gut zur Geltung. Mir hat besonders gut gefallen, dass nicht nur die Bildteppiche großteils so farbenfroh waren, sondern dass auch die Raumwände knallig bunt waren. Die Maße sind beeindruckend, einige Arbeiten sind sehr spannend anzugucken, manche haben mir nicht gefallen (aber das ist ja völlig normal :-)). Total abgefahren, fand ich ja diese 3D-Bilder, die so richtig aus der Bildebene heraustreten. Sehr faszinierend. 

Vitor Vasarely: Cheyt Pyr

Literatur

RiIESE, Brigitte/ KADATZ, Hans-Joachim: Seemanns Sachlexikon – Kunst und Architektur

JAHN, Johannes/HAUBENREIßER, Wolfgang: Wörterbuch der Kunst

Brockhaus Kunst

Infoseite Kunsthalle München (zuletzt 16.02.2020)