Was ist Liebe wert? Lieben wir nur, wenn auch die äußere Hülle passt? Ja, der erste Eindruck zählt und gut aussehende Menschen fallen uns vermutlich zuerst auf. Oder solche, die sich in den Mittelpunkt drängen. Ich selbst bin ja eher eine scheue, introvertierte Person, daher fallen mir oft auch die Personen auf, die sich eher im Hintergrund halten. Aber in „Cyrano de Bergerac“, dem Freilichttheater 2018 auf dem Münsterplatz drehte sich alles um die Frage: Kann sich eine schöne Frau in einen Mann verlieben, der nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht, der ihr Herz aber mit seinen Worten berühren und verführen kann?! 

Als rasantes Mantel- und Degenstück inszenierte der Oberspielleiter Mark Zurmühle vor der imposanten Kulisse der Nordseite des Münsters den Klassiker von Edmond Rostand. Gekürzt und für das heutige Publikum überarbeitet wurde die Vorlage von Daniel Grünauer, Daniel Morgenroth und Christoph Nix. 

Cyrano de Bergerac, ein Poet und Gardeoffizier, nimmt es mit Wort und Degen mit jedem auf, lehnt sich gegen die Obrigkeit auf und entlarvt immer wieder die hohle Obrigkeitshörigkeit. Doch Cyrano hadert mit seinem Aussehen. Durch seine extrem große Nase fühlt er sich häufig ausgegrenzt und glaubt, dass er keine Chance bei den Frauen hat. Vor allem bei der schönen Roxane, seine heimliche Liebe. Diese kann er mit Worten für sich begeistern, doch glaubt sie, dass die Briefe vom schönen Christian stammen. Dieser, ein Kadett aus Cyranos Truppe, ist zwar gutaussehend, aber nicht der hellste. Die beiden tun sich zusammen, um ihre Schöne zu begeistern. Im Endeffekt hätte es bei dieser Konstellation nur einen Gewinner gegeben: Christian. Cyrano ist so davon überzeugt, dass Roxane ihn niemals lieben kann, dass er es nicht einmal bei ihr versucht, nichts kann ihn von seiner Meinung abbringen. Christian merkt aber im Laufe der Zeit, dass Roxane denjenigen liebt, der ihre diese schönen Worte schickt und ihr ein Lächeln und Herzklopfen in die Seele zaubert. Doch Christian kann nicht mehr das richtige tun, denn er wird in die Schlacht geschickt. Denn es gibt noch einen dritten Herrn, der um die schöne Roxane buhlt: Graf Guiche. Als Kommandant ist es seine Aufgabe Cyranos Truppe in den Krieg zu schicken. Wenn es gut für ihn läuft, hat er beide Konkurrenten ausgeschaltet. 

Als Christian schließlich stirbt, wählt Roxane den Nonnenschleier, da sie glaubt ihre große Liebe, der Mann, der mit seinen Worten ihr Herz berührt hat, verstorben ist. Cyrano, immer noch nicht in der Lage seine Gefühle zu offenbaren, wird ihr zum treuen und guten Freund, der wöchentlich ins Kloster kommt und ihr „von der Welt“ berichtet. Cyrano ist immer noch aufmüpfig und scheut keine Auseinandersetzung. Das führt dazu, dass er angegriffen wird. Er schafft es noch ins Kloster, um Roxane zu sehen und verstirbt dann in ihren Armen. Gerade als sie erkannt hat, dass Cyrano die Liebe ihres Lebens war und all die Briefe seine Liebe zu ihr beschrieben. 

Mir hat die Inszenierung sehr gut gefallen, da es die richtige Mischung aus sommerlicher Unterhaltung und nachdenklichen Tönen war. Das Bühnenbild bestand aus einer weißen Hüpfburg (tolle Idee!), die sinnbildlich für den schwankenden Untergrund aller Figuren stand. Denn alle (Haupt-)Figuren im Stück sind auf der Suche. Auf der Suche nach Liebe, Anerkennung, Zuneigung, Erfolg. Außerdem symbolisiert das wackelige, mit Luft gefüllte gebildet auch die Luftschlösser, die die Figuren sich erhoffen und die sie suchen. Als die vermeintliche Realität Roxane trifft, als ihr geliebter Christian verstirbt, sticht sie mit dem Degen in die Burg und langsam entweicht die Luft. Genau wie aus ihrem Leben die Lebenslust, als sie sich ins Kloster zurückzieht. Neben dem stimmigen Bühnenbild haben mich die Kostüme begeistert, die sich teilweise an historische Vorbilder anlehnten, aber niemals altbacken waren, sonder immer einen modernen Touch hatten. Sehr faszinierend finde ich ja immer wie schnell die Kostüme gewechselt werden können, auch auf der Bühne. So wird die Verwandlung von der lebenslustigen Roxane in die zurückgezogene Nonne direkt auf der Bühne Teil der Geschichte.

Mit großem Aufgebot und einer ganzen Menge Statisten brachte der Oberspielleiter das Stück auf die Bühne. Die Live-Band gehörte genauso dazu wie die Schauspieler. Für Laura Lippmann war es die letzte Show am Theater Konstanz, da sie ab der nächsten Spielzeit nicht mehr zum Ensemble gehören wird. Liebe Laura, ganz viel Erfolg für deine Zukunft und vielen lieben Dank für all die schönen, bereichernden Theaterstunden. Ingo Biermann und Thomas Jung als Cyrano und Christian verkörperten ihre Figuren großartig und sehr authentisch. Einer der Schauspieler, Gregor Müller, ist mit mir in die Schule gegangen und ich habe ihn außer hier in Konstanz noch nicht auf der Bühne gesehen. Es war sehr spannend ihn mal live zu erleben und seine Bühnenpräsenz zu sehen. 

Mit Cyrano de Bergerac ist eine pfiffige Inszenierung gelungen, die einen tollen Abschluss der Konzilsjubiläumsfeierlichkeiten boten und vor allem einen großartigen Theaterabend mit Gänsehaut erleben ließen.