1. Eine kurze Geschichte des Klassizismus

Antike – Renaissance – Klassizismus. Drei Epochen, die untrennbar miteinander verbunden sind. Zwar entwickeln beide eigene Vorstellungen, aber sowohl Renaissance als auch Klassizismus verehren das Ideal der Antike. In der Epoche des Klassizismus befinden wir uns im Zeitalter der Aufklärung, wo man freiheitliche Alternativen zu den absolutistischen Herrschaftssystemen suchte. In der Kunst folgte man den neuen Leitlinien der Symmetrie und Harmonie. So konnte man sich vom verspielten Pomp des Barock und den verschnörkelten Linien des Rokoko abwenden.

Basis für die Kunst des Klassizismus waren die Formen Kugel, Zylinder, Kreis und Kubus. Ab der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts fanden Ausgrabungen in Herculaneum und Pompeji statt, die mit wissenschaftlicher Akkuratesse durchgeführt wurden. So war es möglich Einblicke in die antike Alltagskultur und die Varianten der Wandgestaltung zu bekommen.

In Europa wurden die Ausgrabungen mit großem Interesse verfolgt. Sie wurden ein Magnet für die Bildungsreisen, die im 18. und 19. Jahrhundert zu einer guten Ausbildung gehörten. 

Wie bei allen Epochen gibt es keinen genauen Start- und Endpunkt, aber vom Klassizismus redet man ungefähr in der Zeit von 1750 bis 1840. 

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Petit Trianon, Versailles/Frankreich Quelle: Wikimedia

 

2. Klassizistische Architektur in Europa

Wie bei den vorhergegangenen Beiträgen zur Baugeschichte des Münsters beschränke ich mich dieses Mal wieder auf die  Architektur. 

In dieser Gattung ist der Klassizismus eine Gegenbewegung zu Barock und Rokoko. Bereits in der Herrschaftszeit von Ludwig XIV. gab es in Frankreich erste klassizistische Tendenzen. Der unter Ludwig XV. errichtete „Petit Trianon“ im Garten von Versailles gilt als erstes klassizistisches Gebäude des Landes. Nach der Schlacht von Austerlitz 1806 wurde im Auftrag Napoleons ein Triumphbogen nach römischem Vorbild auf der Champs-Elysée errichtet: der bekannte Arc de Triomphe. 

In Deutschland, das in viele kleine Territorialstaaten zersplittert war, gab es keine einheitliche Stilausrichtung. Jede Ausprägung ist regional unterschiedlich und mit dem jeweiligen Herrschergeschlecht verknüpft. Die großzügigen Neuanlagen und Stadterweiterungen zielten darauf, die Dauerhaftigkeit der Monarchie aufzuzeigen. 

In Deutschland ist der in Karlsruhe tätige Johann Jakob Weinbrenner der bekannteste Architekt. Dessen Großneffe Adolf Weinbrenner ist für den Bau einer Villa an der Mainaustraße (Nähe Pauluskirche) verantwortlich. 

In Berlin zählt das Brandenburger Tor als imposanter Auftrakt für die klassizistische Baukunst in Preußen. Es war Teil einer umfangreichen Stadtplanung. 

Ludwig I. Wittelsbach hatte den Wunsch, München in ein „Isar-Athen“ zu verwandeln und scharte als Kronprinz Künstler um sich, die er als König dann anwies die Stadt nach antikem Vorbild umzubauen. Der Königsplatz mit Glyptothek, Feldherrenhalle und Pinakotheken zeugt noch heute von diesen Plänen. 

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Dom von Helsinki, Finnland Quelle: Wikimedia

England entwickelte mit der St. Paul´s Cathedral, dem British Museum und diversen privaten Wohnhäusern eine eigene Form des Klassizismus. 

In Finnland finden sich vor allem in Helsinki klassizistische Gebäude, zum Beispiel der prächtige Dom mit seiner Kuppel, die über die gesamte Stadt wacht. 

Eines der bekanntesten Gebäude der Welt im klassizistischen Stil kann man in Washington/USA sehen: das Kapitol. Natürlich könnte ich noch viele weitere nennen, aber das würde jetzt zu weit führen. 

Kommen wir zum Konstanzer Münster.

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Konstanzer Münster, Blick in den Hochchor Quelle: Wikimedia

 

3. Klassizismus am Konstanzer Münster

Nach einer langen Baupause kam es erst Ende des 18. Jahrhunderts wieder zu Baumaßnahmen am Konstanzer Münster. Ähnlich wie bei den Bauphasen in Renaissance und Barock, ist auch der Klassizismus am Münster eher eine Ausstattungs- denn eine Architekturphase. Der bekannte Künstler Pierre Michel d´Ixnard (1723-95) entwarf einen neuen Hochaltar und die Neudekoration für Chorraum, Vierung und die Seitenchöre. Dieser Plan wurde teilweise umgesetzt. Der Hochaltar rückte weiter an die Ostwand, weshalb die Fenster teilweise verkleidet wurden. Chorräume und Vierung erhielten eine Kassettendecke mit einer Teilvergoldung. Die Wände wurden mit Alabaster- und Stuckverkleidung bedeckt, die auf eine Holzkonstruktion montiert ist.