Ich durfte auf der Insel Reichenau den Archäologen des Landesamts für Denkmalpflege bei ihren Grabungen auf der Suche nach einem alten Hafen über die Schulter schauen. Doch schauen wir uns erstmal kurz an was das Kloster Reichenau war und wieso es so bedeutend war.
Kloster Reichenau
Heute ist die Insel Reichenau vor allem als Gemüseinsel bekannt. Historisch gesehen war die größte Insel im Bodensee im Mittelalter einer der wichtigsten Orte im Kaiserreich.
Der Legende nach kam der Heilige Pirmin 724 auf die Insel und in dem Moment, wo er die Insel betrat, floh alles Schlechte und das Ungeziefer von der Insel.
Pirmin und seine Gefährten gründeten auf der Reichenau ein Kloster, das in ständigem Kontakt zur Fürstabtei St. Gallen und dem Kloster Fulda stand. Alle drei Klöster waren bedeutende Klöster der Karolingerzeit.
Im Mittelalter
1757 fand das Klosterleben mit der Aufhebung sein Ende, aber erst 1803 verließ der letzte Mönch das Kloster. In den ehemaligen Klostergebäuden befinden sich heute z.B. das Rathaus der Gemeinde Reichenau.
Die Klosterkirche ist Maria und Markus geweiht und wurde 2024 von Papst Franziskus zur „Basilika minor“ erhoben – immerhin existiert sei schon seit 1300 Jahren.
Im Jahr 2001 zog wieder klösterliches Leben auf der Insel ein, eine Gemeinschaft von Benediktinern lebt wieder dort.

Archäologische Grabung beim Kloster Reichenau. Reste einer Schmiede und der erste Hafen des Klosters
UNESCO-Weltkulturerbe
Zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert gehörten die Handschriften der Insel Reichenau zu den bedeutendsten ihrer Zeit. Eine Gruppe von Mönchen schuf zahlreiche Handschriften mit fantastischen Buchmalereien. Heute zählen diese Handschriften großteils zu den berühmtesten Büchern der rottonischen Buchmalerei. Bei den meisten handelt es sich um Stiftungen weltlicher oder geistlicher Fürsten. Auf diese Weise verteilten sich die Handschriften im gesamten Reich. Die meisten sind heute in bedeutenden Bibliotheken oder Museen untergebracht – auf der Reichenau ist keine mehr vor Ort.
2003 wurden zehn Handschriften in das UNESCO-Weltdokumentenerbe aufgenommen.
Bereits im Jahr 2000 wurde die Insel unser UNESCO-Schutz gestellt. Gründe für die Unter-Schutzstellung ist die herausragende Bedeutung als mittelalterliches geistig-kulturelles Zentrum eines Benediktinerklosters und als außergewöhnlich gut erhaltenes Beispiel frühmittelalterlicher Klosterarchitektur in Mittelauropa. Zu den geschützten Kunstwerken gehören einmal die drei Kirchen auf der Insel (Klosterkirche Maria und Markus, Kirche Peter und Paul in Niederzell und Kirche St. Georg in Oberzell), die Klosteranlagen sowie die Wandmalereien in St. Georg.

Um die Funde zu schützen, darf man nur über die Holzplanken laufen. Im Hintergrund die Waschstation.
Ausgrabungen
Vom 24. Juni bis 18. Juli 2025 fand eine Forschungsgrabung auf der Insel Reichenau statt. Das Landesamt für Denkmalpflege unter Leitung von Dr. Bertram Jenisch suchte nach Hinweisen auf den ersten Hafen des Klosters. Ich durfte auf der Grabung vorbeischauen und Herr Jenisch hat mir erzählt, was sie bereits gefunden haben.
Neben dem ersten Hafen, der ca. 150 Meter weiter auf der Insel lag als der heutige Jachthafen, haben die Archäologen auch noch Reste einer Handwerkerstätte gefunden, z.B. Reste einer Schmiede.
Die Überbleibsel der Schmiede liegen dabei unterhalb der Kiesaufschüttung, die die Reste des Hafens darstellen.
Anhand alter Pläne konnten die Archäologen den Suchradius eingrenzen und konnten tolle Funde ans Licht bringen. Diese werden kartiert, fotografiert und dokumentiert. Danach wird die Grabung wieder mit Erde bedeckt, damit der Bereich wieder genutzt werden kann. Ich war überrascht wie groß die abgesperrte Fläche war und wie klein dann doch der geöffnete Bereich – aber zugegeben, ich war noch nie live bei einer Grabung dabei. Und es war wirklich aufregend und spannend.

Schlackereste aus der ehemaligen Schmiede in der Nähe des Klosters
Unter dem Zelt sind die Ausgrabungen zu finden und im Hintergrund stand der Waschbereich. Dort wird der Erdaushub gewaschen und so geprüft, damit keine Kleinfunde übersehen werden. Metallreste und Schlacke aus der Schmiede finden sich zum Beispiel.
Warum war der Hafen so wichtig fürs Kloster?
Wie die Legende vom Heiligen Pirmin und seine Besiedelung der Insel erzählt, war der einzige Weg auf die Insel der per Boot. Der Damm, über den man heute auf die Insel kommt und die Insel mit dem Festland verbindet, gibt es erst seit den 1830er Jahren, 1858 wurde er so umgewandelt, dass er eine befahrbare Straße war. Davor konnte man die Insel nur erreichen oder verlassen, wenn man mit dem Boot reiste. Daher war ein Hafen direkt beim Kloster so wichtig – denn nicht nur Menschen, sondern auch Nahrungsmittel und Baumaterial musste über den Wasserweg auf die Insel gebracht werden. Aus diesem Grund wollten die Archäologen den Hafen aus der Gründungszeit des Klosters finden. Die Schiffe auf dem Bodensee waren damals mit so wenig Tiefgang versehen, dass sie auch in der Flachwasserzone anlanden konnten. Daher muss man sich den Hafen vermutlich nicht als richtigen Hafen vorstellen, sondern als Steg, an dem die Boote anlegen konnten. Die archäologischen Befunde bestätigen dies. Denn neben der Kiesaufschüttung haben die Archäologen Reste einer geflochtenen Struktur gefunden, die vielleicht so eine Art Befestigung war.

der Plan von 1707 zeigt den damaligen Bauzustand des Klosters mit dem Landesteg für die Schiffe
Die komplette Auswertung der archäologischen Funde wird noch eine Weile dauern.
Es war super spannend einen Einblick in die Arbeiten vor Ort zu bekommen, vielen Dank für die Möglichkeit durch die Grabung geführt zu werden.