Als ich die Reihe „Was ist eigentlich ein/e…“ geplant habe, war die Welt quasi noch in Ordnung. Deshalb habe ich überlegt, ob ich diesen Beitrag verschieben soll, da er doch mit dem Tod zu tun hat und ich nicht weiß wie die Leute dieses Thema gerade vertragen. Doch dann habe ich drüber nachgedacht, eigentlich geht es bei Epitaphen und Grabdenkmälern nicht in erster Linie um den Tod, sondern ums Leben bzw. um die Erinnerung und Selbstdarstellung. Und ich behandle das Thema kunsthistorisch, es geht also um die Objekte selbst. Und außerdem sind Grabdenkmäler nunmal eins meiner Lieblingsforschungsthemen, auch wenn man dafür immer etwas schräg angeguckt wird. Deshalb werde ich den Beitrag trotzdem bringen. Es muss ja niemand lesen, den das Thema nicht interessiert. 

Augsburger Dom

Kunsthistorische Definition

Das Wort Epitaph kommt ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutet „zum Grab gehörig“. Ursprünglich war mit Epitaph die Inschrift auf einem Grabstein gemeint, die häufig in dichterischer Form über den Verstorbenen Auskunft gab. Es geht also nicht um das Grabdenkmal an sich, sondern erstmal nur um die Inschrift. 

Mitte des 14. Jahrhunderts kommen Erinnerungsmale auf, die an den Wänden oder Pfeilern einer Kirche angebracht werden und an den Verstorbenen erinnern. Diese Erinenrungsmale können im Innen- als auch im Außenraum angebracht werden. Manche von ihnen hängen und manche wurden aufgestellt. Ab der Renaissance verwendete man den Begriff „Epitaph“ für das gesamte Grabdenkmal, nicht mehr nur für die Inschrift. Ab dem 16. Jahrhundert werden die Darstellungsformen immer reicher und die Inhalte immer ausgefeilter. Im Barock werden auch mehrgeschossige Epitaphobjekte mit prunkvollen Rahmen geschaffen, während im Klassizismus die antike Version wieder mehr als Vorbild dient. Neben plastischen Epitaphen gibt es auch gemalte. 

Diese Art von Gedächtnismalen muss keinen räumlichen Bezug zum eigentlichen Grab haben, der Begräbnisort kann sogar in anderen Kirchen sein. Insofern ist das Epitaph eine Unterart eines Kenotaphs. 

Leider gibt es in der kunsthistorischen Terminologie im Bereich der Grabdenkmalsforschung noch viele unterschiedliche Definitionen der Begriffe. Bei anderen KunsthistorikerInnen wirst du vermutlich andere Beschreibungen finden. Aber so habe ich es in der Uni gelernt und wende diese Definitionen in meinen Texten so an. 

Stephansdom Wien

Was braucht man für ein Epitaph?

Als erstes natürlich mal einen Verstorbenen, für den man dieses Epitaph entwickelt. Der Auftraggeber kann der Verstorbene selbst sein oder seine Nachfahren bzw. Erben.  

Als Grundinformationen benötigt man den Namen und die Lebens- bzw. Sterbedaten. Damit sind schonmal die grundlegenden Inhalte geklärt. Danach ist man relativ frei wie man diese Informationen mit weiteren Motiven verknüpft. Am Ende möchte man ja, dass der Verstorbene möglich gut dasteht, daher bietet es sich an, auch noch ein bisschen was über seine Lebenssituation zu erzählen oder bildlich darzustellen. Da sich das Epitaph in der Regel in einer Kirche befindet und die Menschen früher sehr gläubig waren, findet man auch meistens einen szenischen Zusammenhang mit christlichen Motiven. Also zum Beispiel den Verstorbenen als betende Kniefigur vor einer Kreuzigungsszene. So bittet der Verstorbene für alle Zeiten den Heiland um die Fürsorge für sein Seelenheil. 

Neben dem Toten können auch noch weitere Familienangehörige dargestellt sein. Es gibt Epitaphe wo die gesamte Kinderschar und der Ehepartner zu sehen sind. 

Ingoldstadt Franziskanerkirche

Meistens sind diese Szenen in eine architektonische Rahmung eingebunden, um eine einheitliche Darstellung zu schaffen. Diese Rahmung kann die Andeutung eines (Kirchen-)Raums sein, aber auch einfach nur eine Art Bilderrahmung. 

Neben den biographischen Informationen finden sich in der Regel auch noch christliche Elemente und Motive aus dem Bereich der Todesdarstellungen, also zum Beispiel Totenschädel, Knochen, Sanduhren, Putto, Fackeln. Die Biographie kann neben der Darstellung des Verstorbenen auch durch Wappen oder Insignien der Macht (Krone, Kardinalshut etc.) angezeigt werden. 

Die gängigsten christlichen Elemente, die verwendet wurden, sind Kreuzigungsszenen, das Jüngste Gericht, Himmel/Hölle oder Auferstehungsdarstellungen. Meist werden diese als Altar- oder Votivbilder wiedergegeben, vor denen der Tote kniet. 

Die Epitaphe können also künstlerisch in unterschiedlichsten Variationen ausgearbeitet werden. Das hängt von den inhaltlichen Vorgaben der Auftraggeber ab und natürlich auch von der vorhandenen Menge an Geld, die man für ein solches Epitaph aufbringen konnte oder wollte. 

Als Material wurden häufig Stein oder Metall, vor allem Bronze, verwendet. Manchmal hat man diese Materialien auch kombiniert. 

Konstanzer Münster, Maria-End-Chor

Schwierigkeiten

Zu bedenken ist, dass heute oft nicht mehr die ursprüngliche Anordnung existiert. Wenn sie zum Beispiel im Weg waren, wurden sie versetzt. In anderen Fällen hat man die vorhandene Gräber bei der Neuerung von Kirchenfußböden entfernt und nur die kostbaren Epitaphe blieben erhalten. 

Grabplatten, die ursprünglich mal die Bodengräber verschlossen oder als Platten auf Tumben gelegen haben, finden sich in vielen Kirchen heute an die Wände gelehnt oder eingelassen. Bei diesen Objekten handelt es sich streng genommen nicht um Epitaphe, sondern um Wanddenkmäler. Allerdings wurden ab einer bestimmten Zeit auch Platten an die Wände der Kirchen angebracht, die aussehen wie Bodenplatten, aber niemals über einem Grab lagen. Eine Unterscheidung zwischen „originalen“ Wandgrabdenkmälern und solchen, die ursprünglich mal Bodenplatten waren, ist nicht immer ganz einfach und häufig nur nach einer Quellenrecherche möglich. 

Wertheim, Stiftskirche

Literatur

Jahn/Haubenreisser: Wörterbuch der Kunst, Stuttgart 1995

Riese/Kadatz: Seemanns Sachlexikon Kunst und Architektur, Leipzig 2008

„Epitaph“, in: RDK V, 872-921