Was ist die Gotik?

Die Gotik ist eine Stilepoche, die der Romanik folgt und von der Renaissance abgelöst wird. Sie existiert seit ca. 1230 bis ungefähr 1500. Je nach Land beginnt sie jedoch ein bisschen früher oder später. Und je nach Land bzw. Region sind die Ausprägungen natürlich verschieden und die Umsetzung sehr spezifisch. 

Seit Mitte des 12. Jahrhunderts breitete sich die Gotik von der Ile-de-France und Paris über West- und Mitteleuropa aus. In Deutschland hat sich sich seit Mitte des 13. Jahrhunderts von Köln aus durchgesetzt. In Italien wird die Gotik bereits ab ca. 1420 von der Renaissance abgelöst. 

Wie war die Zeit der Gotik?

Die Gotik fällt in eine Zeit des Aufbruchs, der Erfindungen und Entdeckungen. Die Menschen glaubten, dass die Erde eine Scheibe sei und daher brachte die Entdeckung Amerikas einiges durcheinander. Prediger schürten die Angst vor Hexen, Angst vor dem Fegefeuer und der Hölle war allgegenwärtig. Mit frommen Stiftungen versuchte man sein Seelenheil zu schützen und zu retten. 

Die städtische Entwicklung

In der Innerhalb der Städte strebt das Bürgertum zu mehr und mehr Einfluss und Macht. Und diese Bedeutung möchten sie natürlich auch zeigen. Je nach Stadtentwicklung bildet sich das Stadtbürgertum seit Mitte des 11. Jahrhunderts heraus. Viele Bauern, die ihre Abgaben nicht mehr an den Lehnsherren zahlen konnten oder wollten, drängten in die Städte und wollten sich z. B. als Handwerker betätigen. Die Städte versprachen im Gegensatz zu den ländlichen Gegenden Freiheit, Eigenständigkeit und Fortschritt. Mit der Zeit erwarben immer mehr Personen die Bürgerrechte in den Städten. 

In den aufstrebenden Städten sind zunehmend Kathedralen und andere Steinbauten Zeugen dieses Kultur- und Gesellschaftswandels. Die meisten Städte besaßen kleine Häuser mit maximal 3 Stockwerke, nur der Stadtadel konnte sich höhere Häuser leisten. Viele Gebäude wurden aus Holz als Fachwerk- oder Lehmbauweise errichtet, da Holz als Baumaterial günstiger war als Steinbauten. Daher überragen in der Regel die Kathedralen alle Häuser und beherrschen das Stadtbild. 

Woher kommt der Begriff „Gotik“?

Wie so oft, ist der Begriff, den wir heute als Gotik kennen und der eine ganze Epoche bezeichnet, nicht in der Zeit entstanden. Der Kunsttheoretiker Giorgio Vasari hat den Begriff geprägt. Vasari war selbst Architekt und Maler und ist in der Kunstgeschichte vor allem bekannt, weil er Biographien seiner Zeitgenossen geschrieben hat. Seine Schriften über Leonardo da Vinci, Michelangelo und andere Renaissancekünstler machen ihn heute noch bekannt und quasi zum ersten Kunsthistoriker der Geschichte. Er lebte im Florenz der Renaissance und sprach verächtlich über den „nordischen“ Stil. Für Vasari war die Renaissance die Wiedergeburt der Antike und das Mittelalter eine kleine Geschmacksverirrung dazwischen. Er verurteilte die spitzen Türme, verästelten Strebebögen und geschmückten Giebel. „Gotik“ ist also eigentlich erstmal ein Schimpfwort gewesen.

Kreuzgang Konstanzer Münster

Die Gotik als Kunstepoche – an welchen Elementen kann man sie erkennen?

Die Gotik hat sich konsequent von der Antike abgewandt und komplett einige Motive und Formen entwickelt. Ihr markantestes Merkmal ist der Spitzbogen. Die Epoche ist ein Gesamtkunstwerk aus Plastik, Malerei, Goldschmiedekunst, Glasmalerei und Architektur. Ich werde mich in diesem Beitrag auf die Architektur beschränken, da ich euch ja sagen will welche Bauteile des Konstanzer Münsters aus der Gotik stammen. 

Die Kirchen der Gotik wachsen in die Höhe und die Fensteröffnungen werden größer, sodass die Saalwirkung der Kirchen sehr beeindruckend gewesen sein müssen, zumal in der Regel anfangs keine Bestuhlung vorhanden war. Durch das Zusammenspiel von Licht und Schatten sowie Farbe entstand der Eindruck von Schwerelosigkeit und Schweben. Dies wird dadurch unterstützt, dass die einst blockhaft-geschlossenen Wände der Romanik großen offenen Wänden wichen. Denn durch die außen angebauten Strebepfeiler war es möglich den Druck der hohen Wände nach außen abzuleiten und so den Innenraum fast schwerelos erscheinen zu lassen. Die Wände selbst haben kaum noch tragende Funktion, daher ist es möglich die großen Fenster einzubrechen und mit Glas auszufüllen.

Die markantesten Baumotive der Gotik sind das Kreuzrippengewölbe und den Spitzbogen, der an allen Durchbrüchen erscheint. Die Grundrissform der Kirchen orientieren sich meistens am Kreuz Christi: Das Langhaus bildet den senkrechten Kreuzbalken, während das Querhaus, das das Langhaus im oberen Drittel quert, den Querbalken darstellt. Die Kirchen sind nach Osten ausgerichtet, da sie sich in Richtung des Heiligen Landes orientieren. Wenn es die Topographie zulässt, befindet sich also der Chor im Osten, während der Haupteingang im Westen liegt. 

Als Grundform wurden die Kirchen als Basilika errichtet, es sind in der Regel dreischiffige Kirchen (das Hauptschiff wird von zwei Seitenschiffen flankiert), bei denen das Hauptschiff höher ist als die Seitenschiffe. Die Wände des Mittelschiffs haben eine eigene Durchfensterung, die das Licht in den Kirchenraum lassen. In vielen gotischen Kathedralen wird die Westfassade reich geschmückt und ist häufig mit einer Fensterrose versehen, diese gilt als Symbol für das sich ewig drehende Weltenrad.

Das Kircheninnere muss man sich bunt und farbenfroh vorstellen. Das was uns heute als grau und steinsichtig begegnet, war eins bunt bemalt. 

Allerdings gilt es bei all diesen Charakteristika zu bedenken, dass jedes Land, ja jede Region eigenständige Ausformungen und Motive entwickelt hat. Es gibt also nicht „DIE“ Gotik, sondern gotische Motive und charakteristische Ideen, die unterschiedlich kombiniert wurden. 

Heiliges Grab in der Mauritiusrotunde am Konstanzer Münster

Gotik am Konstanzer Münster

An verschiedenen Orten im Münster kann man die gotischen Bauteile ablesen. Am offentsichtlichsten am sogenannten Heiligen Grab in der Mauritiusrotunde, das um 1260 errichtet wurde. Es symbolisiert den Grabort Christi, vermutlich hat der Heilige Konrad die Idee aus Jerusalem mitgebracht. Das 12-seitige Häuschen aus Sandstein zeigt verschiedene Figurenzyklen. 

Wenn du die Rotunde mit dem Heiligen Grab verlässt, stehst du im Kreuzgang des Konstanzer Münsters. Zwei der vier Flügel sind im 19. Jahrhundert abgebrannt, aber an den beiden noch vorhandenen Flügeln kann man die gotischen Motive gut ablesen. Der ältere Kreuzgangflügel ist aus dem späten 13. Jahrhundert und hat noch ein einfacheres Maßwerk als der Flügel aus dem 14. Jahrhundert. 

Wenn du in der Kirche bist und dich in Richtung Osten drehst, dann siehst du heute den großen Hauptaltar, der an der Ostwand steht und somit das Ostchorfenster von ca. 1430 verdeckt. Dieses dreibahnige Fenster wurde von Bischof Otto von Hachberg mit der Farbverglasung versehen, die heute noch teilweise zu sehen ist. Allerdings musst du, um einen Blick auf dieses Fenster werfen zu können, einmal bei einer Kirchenführung vorbeischauen, denn das Fenster wurde 1920 teilweise vermauert und ist heute komplett vom Hochaltar verdeckt. 

Im Thomaschor, einem der beiden Nebenchöre des Konstanzer Münsters, befindet sich der sogenannte Schnegg, bei dem es sich um eine Wendeltreppe von ca. 1460 handelt. Er bietet heute den Zugang zu den Dachräumen, seine urpsrüngliche Funktion ist bis heute noch nicht geklärt. An diesem Platz gehen Architektur und Skulptur eine enge Verbindung ein, der Schnegg ist mit biblischen Szenen, Prophetenfiguren und Hündchen verziert. 

Die Seitenschiffe des Münsters hatten bis ins 14. Jhr. Flachdecken (wie alle Raumteile der Kirche), wann genau das heutige Gewölbe eingezogen wurde, ist noch nicht geklärt. 

Gotischer Eselsrückenbogen über einer Tür im Konstanzer Münster

Ab ca. 1470 wurden die acht Kapellen an der Südseite angebaut. Gestiftet wurden sie großteils von Patrizierfamilien und Geistlichen. Die Vorhalle mit dem Südseitenportal trat ursprünglich mal weiter aus der Außenmauer hervor. Nach der Reformation wurden die Kapellen großteils neu ausgestattet und mit den schmiedeeisernen Gittern versehen, die heute noch den Zutritt verwehren. 

Der Kapitelsaal ist im ersten Stock versteckt und nur mit Führung zugänglich. Der Saal aus den 1480er Jahren war vielleicht mal ein Bibliotheksraum, oder wirklich nur der Saal, in dem das Domkapitel sich versammelte. Er ist über den Kreuzgang zugänglich und liegt somit nahe an den ursprünglichen Wirtschaftsgebäuden des Kapitels. 

Wie du siehst sind am Konstanzer Münster einige Bauteile aus der Gotik erhalten. Einige sind gut erkennbar und auch sichtbar, andere versteckt oder überbaut. Einige Motive sind der Ausstattung zuzurechnen, andere wiederum der Architektur. Die Gotik ist also ein Baustil, in dem viele Varianten möglich sind. Je nach Land und Zeit sind die Ausprägungen und Vermischungen unterschiedlich.